Forst- und Holzwirtschaft Russlands stagniert
ANALYSE FÜR DIE RUSSISCHE REGIERUNG OFFENBART PROBLEME, DIE RIESIGEN RESSOURCEN DES WALDREICHSTEN LANDES DER ERDE ZU NUTZEN
От автора:
Россия – богатейшая лесная держава мира, но по многим объемным и стоимостным показателям от заготовки древесины до продуктов ее глубокой переработки уступает многим странам. Огромные лесные территории, находящиеся в государственной собственности, суровый климат и неразвитость транспортной инфраструктуры – весомые причины отставания лесной экономики. Но еще большее отрицательное влияние на экономические показатели оказывает лесной менеджмент, формируемый в рамках лесного законодательства при отсутствии внятной лесной политики.
В статье рассмотрены результаты развития лесного сектора России за ряд лет, за основу взяты цифровые данные Стратегии развития лесного комплекса России до 2030 г. По планам Минприроды России, Стратегия направлена на достижение устойчивого лесоуправления, инновационного и эффективного развития использования, охраны, защиты и воспроизводства лесов, обеспечивающих опережающий рост лесного сектора экономики, социальную и экологическую безопасность страны, безусловное выполнение международных обязательств Российской Федерации в части лесов. Однако, в рамках существующего лесного законодательства, без коренного изменения экономики лесных отношений, достижение поставленных целей может обернуться дополнительными расходами из государственного бюджета и увеличением затратной части для лесного бизнеса.
Стагнация отечественной лесной экономики – характерная черта последнего десятилетнего экономического цикла лесного хозяйства – заставляет искать новые формы экономических отношений между государством и лесным бизнесом.
Представленная вашему вниманию обзорная статья подготовлена совместно с профессором Дрезденского Технического университета Альбрехтом Бемманном, бывшим руководителем Института лесного хозяйства стран восточной Европы в Тарандте. Авторы статьи выражают надежду на развитие взаимовыгодных экономических отношений между странами в области сохранения и использования лесов.
Russland ist das wald- und holzreichste Land der Erde. Im Verhältnis zu diesem potenziellen Reichtum ist sowohl die Forstwirtschaft als auch die Holzwirtschaft, der sogenannte Forst-Holz-Sektor, in keinem guten wirtschaftlichen Zustand. Nach anfänglichen Erfolgen der ‚Perestroika’, dem Umbau der Wirtschaft des Landes auf ein marktwirtschaftlich orientiertes System in den 1990er Jahren, zeigen sich im Forst-Holz-Sektor seit geraumer Zeit Stagnationserscheinungen. Im Auftrag der russischen Regierung wurden deshalb der Forst-Holz-Sektor analysiert und die Ergebnisse in dem internen Dokument ‚Verordnung der Regierung Russlands vom 20. September 2018 Nr. 1989-r’ niedergelegt. In dem folgenden Beitrag werden die empirischen Ergebnisse dieser Zustandsanalyse des Forst-Holz-Sektors Russlands auszugsweise vorgestellt.
Die Stagnation im Forst-Holz-Sektor Russlands ist nach dieser Analyse durch mehrere Entwicklungen gekennzeichnet:
- Verringerung des Wohlstandes der Bevölkerung, was sich u.a. auch in dem geringer werdenden Verbrauch an Holzprodukten äußert,
- Verlangsamung des Produktionswachstums im Forst-Holz-Sektor, was zu einem Rückgang des Binnenverbrauches an Holzprodukten führt,
- Verringerung der Investitionen in Produktionskapazitäten des Forst-Holz-Sektors.
Für diese Entwicklungen werden verschiedene Ursachen benannt:
- veraltete Informationen über den Waldzustand (Taxation, Monitoring) und damit unzureichende Planung der Waldbewirtschaftung (Forsteinrichtung).
- der Hiebssatz wird absolut im Land und pro Hektar des zu nutzenden Bestandes nicht effektiv ausgenutzt,
- geringe Effektivität bei Aufforstungen sowie beim Erhalt und Schutz von Wäldern vor abiotischen und biotischen Schäden, insbesondere bei der Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden,
- überbordende administrative Hindernisse in den Verwaltungen und für Unternehmen,
- geringe Attraktivität für Investitionen,
- unterentwickelter Binnen-Holzmarkt,
- zu geringes Angebot an qualifizierten Fachkräften,
- ungenügende technische Ausstattung in Verbindung mit wenig innovativen Technologien.
Diese Ursachen werden in den folgenden Ausführungen nicht kommentiert sondern ausschließlich Entwicklungstendenzen in der Forst- und Holzwirtschaft Russlands anhand empirischer Kennziffern aufgezeigt.
WALD UND FORSTWIRTSCHAFT
Die Gesamtwaldfläche Russlands (der s.g. ‚Waldfonds’) beträgt 1.173 Mio. ha. Davon entfallen 770 Mio. ha auf die bestockte Holzbodenfläche, womit der Bewaldungsanteil etwa 46 % der Landesfläche erreicht. Der Holzvorrat in diesen Wäldern wird auf 82,8 Mrd. m3 geschätzt. Die Wälder befinden sich zu etwa zwei Drittel in der borealen Zone, in der aufgrund der Standortbedingungen (Klima, Boden, Lage) der Holzzuwachs und der Holzvorrat niedriger sind als z.B. in Mitteleuropa. Diese Wälder haben eine aktuell große globale ökologische (u.a. Kohlenstoffspeicherung) und potenziell bedeutende ökonomische Bedeutung (u.a. Holzprodukte). Auf etwa 76 % dieser Waldfläche wachsen Nadelgehölze (bes. Larix spp., Pinus spp., Picea spp., Abies spp.), auf 22 % Weichlaubgehölze (bes. Betula spp, Populus tremula) und auf 2 % Hartlaubgehölze (Quercus spp., Fraxinus spp.). Dabei dominiert auf etwa 40 % der bestockten Holzbodenfläche die Lärche, die aufgrund ihrer Holzeigenschaften und der geografischen Lage – sie wächst vor allem in Ostsibirien und dem Fernen Osten – nur gering genutzt wird. Seit den 1940er Jahren ist die Gesamtwaldfläche nach ihrer gesellschaftlichen Bedeutung traditionell in drei Gruppen gegliedert. So gibt es gegenwärtig ‚Schutzwälder’ auf 279 Mio. ha (24, 3 %), ‚Nutzungswälder’ auf 599 Mio. ha (52,2 %) und ‚Reservewälder’ (die in den nächsten 20 Jahren nicht genutzt werden) auf 269 Mio. ha (23,5 %). Diese Einteilung der Wälder mit einem unterschiedlichen Schutz- bzw. Nutzstatus soll das Prinzip einer nachhaltigen Waldwirtschaft unterstützen.
Der Waldfonds und die Forstwirtschaft Russlands werden auf der Grundlage des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Forstgesetzes (Forstgesetz Russlands, 2006) nach folgenden Prinzipien verwaltet und geführt*:
- die Wälder und der Waldfonds befinden sich ausschließlich im staatlich-föderalen Eigentum,
- die Funktionen der Verwaltung und der Nutzung des Waldfonds sind de jure und de facto getrennt,
- der Waldfonds wird zentral durch eine eigenständige Einheit im Föderalen Ministerium für Naturressourcen und Ökologie verwaltet, wobei parallel dazu Forstverwaltungsfunktionen Behörden in den 85 Subjekten des Landes übertragen werden,
- eine Waldnutzung – im Forstgesetz sind 16 Arten explizit benannt – ist nur über eine Verpachtung von Waldflächen von 10 bis 49 Jahren, oder eine kurzfristige Nutzung bis zu einem Jahr möglich,
- jegliche wirtschaftliche Tätigkeit im Wald darf nur von Pächtern auf den von ihnen gepachteten Flächen in dem fixierten Zeitraum ausgeübt werden oder sie wird über kurzfristige Konzessionen vergeben,
- eine Waldnutzung ist zahlungspflichtig und sie muss angezeigt werden.
Die Forstverwaltung in den staatlichen Forstbetrieben und Forstämtern beinhaltet alle Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Funktionen des Ökosystems Wald zu erhalten und weiter zu entwickeln: Schutz vor und Bekämpfung von abiotischen und biotischen Schäden, Erfassung und Monitoring von Waldressourcen (Taxation), mittel- und langfristige Planung wirtschaftlicher Tätigkeiten (Forsteinrichtung), Pflegemaßnahmen im Wald sowie Aufforstungen und die Einleitung von Naturverjüngung.
Sie ist verantwortlich für die Verpachtung von Waldflächen und die Vergabe von Konzessionen für eine kurzfristige Waldnutzung. Qua Forstgesetz ist der Forstwirtschaft in Russland – im Unterschied zu Deutschland – jegliche wirtschaftliche Tätigkeit im Walde untersagt, sie ist aber zuständig für die Kontrolle dieser Arbeiten.
Die Holzwirtschaft – in Russland auch als ‚Forstindustrie’ bezeichnet – umfasst privatwirtschaftliche Unternehmen, die über eine Pacht von Wald (oder kurzfristigen Konzessionen) Holz einschlagen, rücken und transportieren. Weiterhin zählen dazu Unternehmen, die Holz in der Sägeindustrie, Holzwerkstoffindustrie, Zellstoff- und Papierindustrie be- und verarbeiten sowie Unternehmen, die Möbel, ‚Bioenergie-Erzeugnisse’ (vorrangig Pellets) und Holzhäuser produzieren. Außerdem gehören dazu Betriebe der forstchemischen Industrie, die vor allem Tallöl und Kolophonium herstellen.
PACHTSYSTEM ZUR WALDNUTZUNG
In dem Forstgesetz von 2006 ist festgelegt, dass Wald nur über eine Verpachtung von 10 bis 49 Jahren bzw. eine kurzfristige Vergabe von Konzessionen bis zu einem Jahr an natürliche und juristische Personen von diesen genutzt werden darf.
Von der Regierung der Russischen Föderation wird für alle Subjekte des Landes jährlich ein sogenannter ‚minimaler Betrag’ für jede der 16 Waldnutzungsarten festgelegt (Rubel pro Kubikmeter des Hiebssatzes bzw. pro Hektar).
NUTZUNG VON NICHT-HOLZ-RESSOURCEN
Neben der Verpachtung von Waldflächen für eine Holznutzung (s. Abschnitt ‚Holzeinschlag’) werden Waldflächen auch für anderweitige Nutzungen verpachtet. Dazu gehören u.a. das Sammeln und die Produktion von Nahrungsmitteln (Zeder-Nüsse, Haselnüsse, Pilze, Beeren, Äpfel, Birnen, Kirschen) und Heilpflanzen, aber auch die Landwirtschaft und die Jagd (s. Tab. 1).
So werden in der Regel mit Personen, die z.B. Waldfrüchte gewerbsmäßig vertreiben – also über den Eigenverbrauch hinaus sammeln – Pachtverträge abgeschlossen. Zurzeit bestehen für eine derartige Nutzung 342 Pachtverträge über eine Fläche von etwa 2 Mio. ha. Die meisten Verträge dazu gibt es im Fernen Osten (Region Primorje – 697.000 ha, Region Chabarowsk – 312.000 ha) und in Sibirien (Gebiet Tomsk – 444.000 ha, Republik Burjatien – 123.000 ha). Im europäischen Teil werden vor allem Pilze und Beeren, im asiatischen Teil besonders Nüsse gesammelt.
In großem Umfang – etwa auf 50 Mio. ha – werden Flächen für die Jagd verpachtet. Aber auch Landwirtschaft wird auf etwa 16 Mio. ha nicht bestockten Waldflächen betrieben und in nördlichen offenen Wäldern ist die Rentierzucht zu Hause.
Für geologische Aufschlüsse zur Nutzung von Bodenschätzen – besonders für Öl- und Erdgas-Erschließungen – sind gegenwärtig etwa 780.000 ha Wald verpachtet. Das betrifft vor allem das Autonome Gebiet Chanty-Mansisk (12.100 Verträge), Republik Sacha (Jakutien) (2.100 Verträge) und die Republik Komi (2.000 Verträge). Ähnlich verhält es sich mit dem Bau von Strom-, Öl- und Gastrassen, wofür etwa 420.000 ha Wald verpachtet sind.
In geringerem Umfang sind Waldflächen weiterhin verpachtet an religiöse Institutionen, für die Produktion von Beeren, Obst und dekorativen Pflanzen in speziellen Plantagen sowie für Baumschulen und andere Zwecke (s. Tab. 1).
NUTZUNG VON HOLZ
Von den im Forstgesetz benannten 16 Arten der Waldnutzung ist die Holznutzung nach den finanziellen Einnahmen die wichtigste. Nach diesem Gesetz wird jede Waldnutzung von der zuständigen Regionalregierung in dem jeweiligen Subjekt (in der Regel dem Ministerium für Forstwirtschaft) über eine Auktion in einem zweistufigen Verfahren (‚minimaler Betrag’ plus ‚Bieterbetrag’) vergeben. Grundlage für die Berechnung ist der Hiebssatz (Stockpreis), der in jedem Forstamt für die Dauer von 10 Jahren berechnet wird.
Die Höhe des ‚minimalen Betrages’ wird von der föderalen Russischen Regierung differenziert nach Endnutzung und Vornutzung, der Holzart sowie Nutzholz – und hier wieder gestaffelt nach Starkholz, mittelstarkem und dünnem Holz – und Brennholz vorgegeben. Einige Regierungen der Subjekte haben diesen zentral vorgeschriebenen Betrag noch mit einem (häufig umstrittenen) Koeffizienten versehen. Dieser beträgt z.B. im Leningrader Gebiet 1,2, was den ‚minimalen Betrag’ um 20 % erhöht.
Die Auktion beginnt mit dem ‚Grundpreis’. Dieser Grundpreis ist das Produkt aus dem Jahreshiebssatz des zu verpachtenden Waldabschnittes (Kubikmeter) multipliziert mit dem ‚minimalen Betrag’ (Rubel pro Kubikmeter des Hiebssatzes). Jeder Auktionsteilnehmer kann im Verlaufe des Verfahrens sein Angebot in jeweils 5-Prozent-Schritten beliebig oft erhöhen. Der Meistbietende erhält den Zuschlag. Der am Ende der Auktion erzielte Pachtpreis ist von dem Pächter jährlich in voller Höhe zu zahlen, unabhängig davon, ob er den Hiebssatz vollständig genutzt hat. Der staatlich vorgegebene ‚minimale Betrag’ wird dabei in das föderale Budget, der während der Auktion darüber hinaus erzielte Teil des Pachtpreises in das Budget des Subjektes abgeführt (s. Tab. 2).
Der mittlere Gesamtpachtpreis für die Nutzung von einem Kubikmeter Holz in Russland betrug 2016 59,1 Rubel. Während sich der Gesamtpachtpreis von 2006 bis 2016 um 13,0 % erhöhte, wurde der ‚minimale Betrag’, d.h. der staatlich vorgegebene (fixe) Preis, im gleichen Zeitraum um etwa 15,1 % gesteigert.
Die Pachtpreise verändern sich jährlich aufgrund der föderal festgelegten Steigerung des ‚minimalen Betrages’ aber ebenfalls unter Berücksichtigung von Waldverlusten des Pächters durch Waldbrände, Schneebruch und Windwurf sowie andere abiotische und biotische Schäden.
Das Recht des Pächters an der Holznutzung (in Höhe des Hiebssatzes) umfasst auch seine Pflicht zu Wiederaufforstungen, zur Pflege der Bestände (Durchforstungen), zum Waldschutz (u.a. Verhütung von Waldbränden) sowie zum Waldwegebau. Dafür entstehen den Pächtern jährlich Kosten in Höhe von etwa 12,9 Mrd. Rubel, was etwa 54 Rubel pro Hektar entspricht. Die Kosten für die Bekämpfung von Waldbränden dagegen werden aus dem föderalen Budget finanziert. Die Kosten für die Taxation und die Forsteinrichtung können entweder von dem Pächter oder aus dem föderalen Budget oder durch die Subjekte getragen werden, oder sie können – wenn dies im Pachtvertrag festgelegt ist – auch anteilig von den drei Partnern übernommen werden.
Insgesamt konnten durch diese ökonomischen Regelungen die staatlichen Einnahmen aus allen 16 Arten der Waldnutzung von 13,66 Mrd. Rubel im Jahre 2006 auf 29,5 Mrd. Rubel 2016 erhöht werden (s. Tab. 3). Danach haben sich in diesem Zeitraum die Gesamteinnahmen zwar mehr als verdoppelt, in das Budget der Subjekte ist davon aber nur etwa ein Viertel bis ein Drittel geflossen.
Für eine weitere Betrachtung der Auswirkungen des Pachtsystems auf die Kosten der Holzbereitstellung wird kurz auf den – neben Sibirien – forstwirtschaftlich wichtigsten Föderalen Bezirk Nord-West eingegangen. Eine Analyse der Selbstkosten für den Holzeinschlag (frei Waldstraße) aller Wald pachtenden Unternehmen in diesem Föderalen Bezirk ergab, dass diese im Jahr 2016 im Mittel bei 1.284,6 Rubel pro Kubikmeter Rundholz lagen (s. Tab. 4).
Der mittlere Pachtpreis war mit 77,6 Rubel pro Kubikmeter, d.h. mit maximal etwa 10 % an den Gesamtkosten, recht gering. Er differiert in den 10 Subjekten dieses Föderalen Bezirkes aber von 28,3 (Nenetzker Autonomer Kreis) bis 137 Rubel pro Kubikmeter (Kaliningrader Gebiet). Die höchsten (mittleren) Kostenanteile entfielen auf die Fällung (28,6 %), die Rückung (25,3 %) und auf den Vertrieb (24,2 %).
Die mittleren Preise für verschiedene Rundholzsortimente differieren natürlicherweise auch in diesem Föderalen Bezirk sehr stark (s. Tab. 5). Sie bewegen sich von 588,9 Rubel pro Kubikmeter für Brennholz (d.i. etwa 7,90 € pro Kubikmeter) bis 2.141,3 Rubel pro Kubikmeter für Nadelsägeholz (d.i. 28,6 € pro Kubikmeter).
Als Einzelsortimente waren demnach nur Nadel-Sägeholz, Nadel-Stammholz, Laubrundholz-Furnier und Laub-Sägeholz kostendeckend bereitzustellen. Die Anteile dieser Sortimente am Gesamteinschlag mussten dementsprechend möglichst hoch sein, um die preislich niedrigeren Sortimente überhaupt auf dem Markt absetzen zu können. Dies weist auf ein Dilemma der Waldnutzung in Russland hin: der hohe, kaum kostendeckend verwertbare Anteil von Aspen- und Birkenholz zwingt die Einschlagsunternehmen immer weiter in – in der Regel – unerschlossene Nadelholz-Regionen, die die Bereitstellungskosten wiederum in die Höhe treiben.
REPRODUKTION VON WÄLDERN
In der borealen Waldzone sind Kahlschläge nach wie vor die verbreitetste Form des Holzeinschlages. In Russland sind Einzel-Kahlschläge zwar auf eine maximale Fläche von 50 ha begrenzt, die ökologischen Auswirkungen (u.a. CO2-Emissionen), besonders auf eine nachfolgende Wiederbewaldung (u.a. Erosionen), sind aber häufig negativ.
In dem hier analysierten Zeitraum nahm die jährlich über Kahlschläge entwaldete Fläche von 621.700 ha (2000) auf 995.500 ha (2016) zu (s. Tab. 6).
Vom Jahr 2000 bis 2010 überwog die Wiederbewaldung über gesteuerte Naturverjüngung und Aufforstungen die Fläche der Kahlschläge. Obwohl sich die Wiederbewaldungsfläche auf beachtliche 820.000 bis 870.000 ha pro Jahr verstetigt hat, veränderte sich dieses Verhältnis ab 2011. So summierten sich die Kahlschlagflächen ohne eine entsprechende Naturverjüngung und Aufforstung bis 2016 auf etwa 533.000 ha.
Diese Entwicklung – die mit Großkahlschlägen schon vor etwa 100 Jahren begann – führt in allen davon betroffenen Regionen zu einem steigenden Anteil von Weichlaubbaumarten. So sind gegenwärtig etwa 100 Mio. ha mit Birken und 21 Mio. ha mit Aspe bestockt. Die größten Birken-Vorkommen finden sich mit 40 Mio. ha im Föderalen Bezirk Sibirien und mit 16 Mio. ha im Föderalen Bezirk Nord-West. Da die Holzwirtschaft in Russland aber in ihrer Verwertungsstruktur auf Nadelholz ausgerichtet ist, werden diese Weichlaubhölzer nur gering genutzt und das Nadelholz muss aus immer weiter entfernten Waldgebieten zu den Verarbeitungskapazitäten gebracht werden, was mit zunehmenden Kosten (u.a. Walderschließung, Holztransport) verbunden ist.
Während gesteuerte Naturverjüngung die mit etwa 75 bis 80 % dominierende Form der Waldverjüngung darstellt, entfallen auf Aufforstungen etwa 20 bis 25 %. Neben traditionellen Baumschulen stellen einige große ‚Züchtungszentren’ jährlich 43 Mio. Containerpflanzen dafür zur Verfügung. Da bei den Frühjahrsaufforstungen der Zeitpunkt der Pflanzung oft nicht richtig gewählt wird, kann davon ein Großteil – besonders durch eine Frühjahrstrockenheit – nicht in sogenannte ‚gesicherte Kulturen’ überführt werden. Insgesamt ist der Maschinenpark für die Walderneuerung zu 80 bis 90 % physisch verschlissen und kaum noch einsetzbar.
Neuaufforstungen auf unterschiedlichen Bodenkategorien sind in den vergangenen Jahren rückläufig und erreichten 2016 in Russland nur noch etwa 13.000 ha. In einigen Gebieten Russlands – wie Astrachan, Wolgograd und Tambowsk – in denen derartige Neuaufforstungen aufgrund von Bodenerosionen dringend notwendig wären, wurden sie vollständig eingestellt. Obwohl planmäßig 43 % der Jungbestände gepflegt werden sollen, liegt diese aktuelle Größe bei etwa 31 %. Damit einher geht eine qualitative Verschlechterung der jungen Bestände und zukünftig eine absehbare Verringerung der Bestandessicherheit. Diese negative Entwicklung unterlassener Pflegemaßnahmen hat sich in den vergangenen 10 Jahren beschleunigt.
In Verbindung mit der Erschließung und dem Aufbau von Infrastruktur-Objekten werden jährlich etwa 140.000 ha entwaldet, für die es keine entsprechenden Kompensationsmaßnahmen in Form von Neuaufforstungen gibt.
WALDSCHUTZ
Der Gesundheitszustand von Wäldern ist stets von abiotischen (u.a. Brände, Sturm, Schnee, Luftschadstoffe, Temperatur- und Niederschlagsextreme) und biotischen Schädigungen (u.a. Insekten) bedroht. Nach langfristigen Beobachtungen entfallen in Russland etwa 60 % der festgestellten Waldschädigungen auf Waldbrände, 25 % auf Auswirkungen von Klimaextremen und 15 % auf Insektengradationen.
Obwohl Brände in der borealen Zone zur natürlichen ökologischen Dynamik der dortigen Wälder gehören, schädigen sie doch jährlich in großem Umfang die Ökosysteme selbst (u.a. CO2-Emissionen), verursachen Todesopfer und führen zu ökonomischen Verlusten an der Infrastruktur. Etwa 70 % der Waldbrände werden durch menschliche Einflüsse verursacht.
Der Umfang der von Bränden erfassten Waldflächen bewegte sich in den vergangenen Jahren zwischen 442.000 ha (2005) bis 3,2 Mio. ha (2018) (s. Abb. 1).
Am häufigsten und umfangreichsten waren in jener Zeit davon betroffen die Gebiete Irkutsk und Amur, die Regionen Primorje, Chabarowsk, Zabaikalsk und Krasnojarsk sowie die Republiken Burjatien, Sacha (Jakutien) und Tyva sowie der Autonome Kreis Jamal-Nenetzk. Sowohl Maßnahmen zur Verhütung als auch zur Bekämpfung von Waldbränden stoßen immer an natürliche und finanzielle Grenzen. Einmal sind es die für europäische Maßstäbe unermesslich großen Waldgebiete, in der (fast) keine Infrastruktur vorhanden ist. Hier ist eine Bekämpfung von Feuern – außer mit Flugzeugen – kaum möglich. Zum anderen wurde mit der Verwaltungsreform der Forstwirtschaft in den 1990er Jahren ein großer Teil des Personals, einschließlich der in allen Forstbetrieben vorhandenen Technik, abgebaut. Zwar wurden für die Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden den Subjekten in den vergangenen fünf Jahren pro Jahr aus dem föderalen Budget 4,6 Mrd. Rubel zur Verfügung gestellt. Es wird aber eingeschätzt, dass für ein effektives Feuer-Management doppelt so viel Geld benötigt wird.
HOLZWIRTSCHAFT
Holzeinschlag
Der Holzeinschlag ist in Russland nach der Fläche und nach den damit erzielten finanziellen Pachteinnahmen für den Staat die wichtigste Form der Waldnutzung. Der Hiebssatz für das gesamte Land beträgt – bei einem Holzvorrat von 82,2 Mrd. m3 – gegenwärtig 704 Mio. Kubikmeter pro Jahr. Im Zeitraum von 2011 bis 2016 wurden davon jährlich etwa 28 % bis 31 % genutzt.
Über eine Endnutzung – d.h. den Einschlag von hiebsreifen und überalterten Beständen – werden etwa 74 % der gesamten Holzmenge erbracht. Auf Kahlschläge entfallen nach der Holzmenge etwa 83 % und nach der Fläche 44,5 %. Durch Vornutzungen – mit traditionellen Technologien und herkömmlicher Technik – wird etwa ein Viertel des Holzeinschlages (vor allem in den Föderalen Bezirken Nord-Kaukasus und Süden) erbracht.
Auch wenn der Holzeinschlag seit Mitte der 1990er Jahre kontinuierlich gesteigert werden konnte, erreichte er 2016 mit 213,8 Mio. m3 nur etwa 70 % der Menge von 1990 (s. Tab. 7) während er 1975 – in der UdSSR – schon einmal 395,1 Mio. m3 betrug. Die Ursachen für den Rückgang des Holzeinschlages in den 1990er Jahren sind vielfältig. So wurden u.a. die bis dahin staatlichen Holzeinschlagsbetriebe sehr schnell privatisiert. Aufgrund des sich damals erst entwickelnden Finanz- und Kreditsystems war es diesen neuen privaten kleinen und mittelgroßen Unternehmen kaum möglich, ihren veralteten technisch-technologischen Maschinenpark zu erneuern und professionelle Fachkräfte für die Waldarbeit zu bekommen.
Nach der ausgearbeiteten Strategie (2018) besteht das Ziel, bis zum Jahr 2030 jährlich 286 Mio. Kubikmeter Holz einzuschlagen. Der Export von Rundholz soll 2030 etwa 17,6 Mio. m3 erreichen und damit – im Vergleich zu 2016 – um etwa 2 Mio. m3 verringert werden.
Etwa 80 % des Holzeinschlages werden über langfristige Pachtverträge (s.o.) und 20 % über kurzfristige Einschlagsgenehmigungen (Nutzungskonzessionen) realisiert. Die in den Pachtverträgen vereinbarten möglichen Holzeinschlagsmengen (Hiebssatz) steigen zwar langsam an, werden gegenwärtig im Mittel aber nur zu etwa 67 % genutzt.
Die Anzahl der Pachtunternehmen (natürliche und juristische Personen) beträgt derzeitig 5.748 (s. Tab. 8).
Die größte Zahl von Unternehmen, etwa 4.200, gehören zu den sogenannten kleinen Betrieben, die pro Jahr nicht mehr als 20.000 m3 einschlagen. Nur 26 Unternehmen, die größten, schlagen pro Jahr mehr als 500.000 Kubikmeter. Von diesen wiederum agieren die meisten in den zwei Föderalen Bezirken Nord-West und Sibirien (u.a. die ‚Ilim-Gruppe’, ‚Mondi Syktyvkar LPK’ und ‚KrasLesInvest’). Auf die kleinen und mittelgroßen Unternehmen entfallen etwa 48 % des Gesamteinschlages. Tendenziell hat sich in den vergangenen Jahren der Anteil des von den mittelgroßen und großen Unternehmen eingeschlagenen Holzes erhöht und der Anteil der ‚Kleinen’ verringert.
Die meisten Unternehmen arbeiten im Föderalen Bezirk Wolga (1.400), die wenigsten (nicht mehr als 500) im Föderalen Bezirk Ferner Osten.
SÄGEINDUSTRIE
Russland liegt 2016 bei der Produktion von Schnittholz weltweit – nach den USA, Kanada und China – auf dem vierten Platz. So wuchs die Schnittholzproduktion von 26,5 Mio. m3 im Jahre 1995 auf 42,6 Mio. m3 2016 (s. Tab. 7). Hierzu muss aber bemerkt werden, dass Russland 1990 schon 75 Mio. m3 Schnittholz produziert hat (die UdSSR 1975 116,2 Mio. m3). Der danach folgende Produktionseinbruch – wie bei allen hier genannten Holzerzeugnissen – war bedingt durch die sogenannte ‚Perestroika’, d.h. den Umbau der Wirtschaft von der ursprünglich ausschließlich staatlichen auf privatwirtschaftlich organisierte Formen sowie gleichzeitiger Beibehaltung des föderalen Staatseigentums am Wald.
Von der Gesamtproduktion wurden 2016 im Inland etwa 16,3 Mio. m3 verbraucht und 26,3 Mio. m3 exportiert. Die Hauptexport-Länder dabei waren China, Nordafrika (vor allem Ägypten), westeuropäische Länder, die GUS-Länder und Japan.
Bis 2030 sollen jährlich 62 bis 69,5 Mio. m3 Schnittholz produziert werden. Auf dem Binnenmarkt sollen von diesen geplanten Mengen etwa 24,7 Mio. m3 abgesetzt und 37,1 bis 44,8 Mio. m3 vorrangig nach China exportiert werden.
ZELLSTOFF- UND PAPIERINDUSTRIE
Die Unternehmen der Zellstoff- und Papierindustrie konnten sich nach dem Zerfall der UdSSR relativ schnell konsolidieren. So entfallen auf fünf Kombinate dieses Wirtschaftszweiges, die zu drei Holdings gehören, etwa 64 % der gesamten Zellstoff-Produktion.
2016 wurden etwa 5,5 Mio. t (chemisch aufgeschlossener) Zellstoff produziert, wovon der größte Teil im Land weiter verarbeitet wird und etwa 2,1 Mio. t (vor allem nach China) exportiert werden.
Die Erzeugung von Papier und Karton konnte nach dem Produktionseinbruch in den 1990er Jahren gesteigert werden und erreichte 2016 mit 8,5 Mio. t wieder das Niveau von 1990.
Die wichtigsten Standorte der Zellstoff- und Papierproduktion befinden sich in den Gebieten Archangelsk und Irkutsk sowie in den Republiken Karelien und Komi.
HOLZWERKSTOFF-PRODUKTION
Die Produktion von Span- und Faserplatten (MDF, HFH) sowie von Sperrholz konnte seit den 1990er kontinuierlich gesteigert werden, stagniert aber seit 2015 (s. Tab. 7). Die Produktion von OSB-Platten wurde in Russland Mitte der 1990er Jahre erst relativ spät begonnen und erreichte 2016 etwa 800.000 m3.
Im Bauwesen und im Möbelbau Russlands wird Sperrholz im großem Umfang eingesetzt. Etwa 95 % des Sperrholzes (s. Tab. 7) wird aus Birke produziert, 63 von 65 Sperrholz-Fabriken nutzen in ihrer Produktion Birkenholz. So entfallen etwa 3 bis 4 % der weltweiten Produktion von Birken-Sperrholz auf Russland.
HOLZHAUSBAU / MÖBELPRODUKTION
Durch eine staatlich geförderte Entwicklung ländlicher Räume nahm der Holzhausbau seit Ende der 1990er Jahre kontinuierlich zu, stagniert aber gegenwärtig auf hohem Niveau (s. Tab. 7). So betrug der Anteil des Holzhausbaus am Gesamtzubau von Wohnhäusern in Russland 2016 etwa 10 %, der Zuwachs an Wohnfläche in eingeschossigen Holzhäusern erreichte (im gleichen Jahr) 7,7 Mio. m2. Verantwortlich für die gegenwärtige Stagnation sind hohe Preise für qualitativ hochwertige Häuser, hohe Netz-Anschlusskosten der Häuser (Strom, Trink- und Abwasser, Telekommunikation), unterentwickelte Service-Dienstleistungen für derartige Häuser in ländlichen Regionen sowie Schwierigkeiten bei der Ausreichung von Krediten für den Hauskauf.
Der Möbelbau – nach laufenden Produktions-Preisen – steigt kontinuierlich (s. Tab. 7).
PELLET-PRODUKTION
Die Produktion von Pellets hat in Russland aufgrund umfangreicher Fördermengen an Erdöl und Erdgas und einem damit verbundenen großen Verbrauch dieser fossilen Energieträger in Industrie und Haushalten keine Tradition. Erst durch den sich seit den 1990er Jahren vor allem in Westeuropa geschaffenen Markt für regenerative Energieträger ergab sich in den vergangenen 10 Jahren in Russland die Möglichkeit, Pellets zu produzieren. So haben sich besonders in Regionen mit einem hohen Holzeinschlag aber ohne Unternehmen der Zellstoff- und Holzwerkstoff-Industrie große Unternehmen angesiedelt, die 2016 etwa 1,1 Mio. t Pellets produzierten (s. Tab. 7), die fast vollständig exportiert wurden (etwa 90 % in europäische und 10 % in asiatische Länder). Strategisch ist vorgesehen, dass die Produktion von Pellets bis 2030 auf 2,8 bis 5,2 Mio. t jährlich erhöht werden soll, womit etwa 5 bis 8 % des weltweiten Bedarfs gedeckt werden könnten.
FOLGERUNGEN
Zur Entwicklung des Forst-Holz-Sektors wurden in der o.g. Strategie drei Hauptziele formuliert:
- Aufbau einer effektiven Forstverwaltung. Den Auftakt dafür gab Anfang März 2019 der Ministerpräsident Russlands A.D. Medwedew mit der Anweisung, ein neues föderales Forstgesetz zu erarbeiten.
- Stärkung der Wirtschaftskraft russischer Unternehmen des Forst-Holz-Sektors und ihrer Konkurrenzfähigkeit auf internationalen Märkten. • Verbesserung der sozialen und ökonomischen Situation der Bevölkerung in den Subjekten der Russischen Föderation.
- Im Ergebnis dieser Strategie sollen im Forst-Holz-Sektor bis zum Jahr 2030
- die Wertschöpfung von gegenwärtig (2016) 1.400 Mrd. Rubel auf 2.076 Mrd. Rubel (d.h. um 676 Mrd. Rubel) erhöht und der Beitrag des Forst-Holz-Sektors am Bruttosozialprodukt Russlands von 0,5 % auf 1 % verdoppelt werden,
- die Zahl der Beschäftigten von gegenwärtig 500.000 auf 820.000 (d.h., um 320.000) angehoben und das Steueraufkommen, dass in das Budget der Russischen Föderation fließt, von 91 Mrd. Rubel auf 189 Mrd. Rubel (in konstanten Preisen) gesteigert werden.
Mit welchen staatlichen ökonomischen Maßnahmen die strategischen Ziele (ohne Zeithorizont) und die anvisierten Ziele bis 2030 erreicht werden sollen, geht aus der o.g. Analyse nicht hervor. Da aber schon in den 1980er Jahren sowohl der Holzeinschlag als auch die Produktion von Holzerzeugnissen weit über den derzeitigen Kennzahlen lagen, erscheinen diese Ziele nicht unrealistisch.
VON PROF. DR. VLADIMIR N. PETROV, ST. PETERSBURG
UND
PROF. DR. DRS. H.C. ALBRECHT BEMMANN, THARANDT